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Deutsche Tischgesellschaft


Die Deutsche Tischgesellschaft (in der älteren Forschung auch Christlich-deutsche Tischgesellschaft genannt) wurde am 18. Januar 1811, dem Krönungstag der preußischen Monarchie, vom Dichter Achim von Arnim und dem Staatstheoretiker Adam Heinrich Müller in Berlin gegründet und bestand im Wesentlichen während des Jahres 1811, doch sind auch aus späteren Jahren Zeugnisse überliefert, die ein Weiterbestehen einer Tischgesellschaft dieses Namens belegen. Bereits in den Gründungsstatuten war bestimmt worden, dass nur "Wohlanständige" einzuladen seien, die so definiert wurden: Die Gesellschaft versteht unter dieser Wohlanständigkeit, daß es ein Mann von Ehre und guten Sitten und in christlicher Religion geboren sei ... Es handelt sich also um einen Ausschluss getaufter Juden und zielt auf eine deutliche Diskriminierung von Juden im gesellschaftlichen Leben, denen 1812 durch die Preußischen Reformen gerade die Staatsbürgerrechte zugestanden wurden.

Statuten und Mitglieder


Die Statuten geben eine recht genaue Auskunft über die Organisationsstruktur des Vereins: Es wurde Wert darauf gelegt, die Bestimmungen in freier Meinungsbildung und nach demokratischer Diskussion zu treffen. Eine Aufgabenverteilung für die Organisation des Versammlungsablaufs gab es zunächst nur bezüglich der Rolle ihres Leiters, des “Sprechers”, der auch das Protokoll zu führen hatte. Es waren Reden, aber auch schon ausdrücklich “Mitheilungen an Kunstsachen, Büchern und Gesängen” vorgesehen. Das gemeinsame Mahl stand deutlich im Zentrum der Treffen, so hatten etwa “Verhandlungen über die Gesetze [...] nach der Suppe” zu geschehen. Mit dem “Wirthe des Casino” wurde das Gasthaus, also ein öffentlicher Ort für die Versammlungen gewählt. Die Zulassungsbestimmungen waren einerseits sehr vage und andererseits entschieden restriktiv: “wer von zehn Mitgliedern als der Gesellschaft wohlanständig und angemessen eingeführt wird, ist dadurch ordentliches Mitglied. Die Gesellschaft versteht unter dieser Wohlanständigkeit, ...(s.o.)... unter dieser Angemessenheit, daß es kein Philister, als welche auf ewige Zeiten daraus verbannt sind”.

Bereits beim ersten Treffen zeichnete sich ein unerwartet großer Erfolg der Tischgesellschaft ab, denn die ursprüngliche Höchstzahl von fünfzig Mitgliedern musste auf sechzig erhöht werden, obwohl es in Berlin eine große Zahl vergleichbarer geselliger Vereinigungen gab und auch die Kosten, die eine Teilnahme an der Tischgesellschaft mit sich brachte, hoch waren: ein Reichstaler allein für das Essen, dazu noch ein Groschen für den Boten, acht Groschen Strafgeld für Verspätung usw.

In seinem Gründungsjahr umfasste der Verein vor allem Mitglieder aus dem Umkreis der preußischen Reformer. Von den 86 bekannten Mitgliedern gehörten jeweils genau die Hälfte dem Adel und dem Bürgertum an. Es waren Mitglieder aller höheren Berufe vertreten, vor allem Beamte (37) und Militärs (19). Gutsherren und Hochadel waren wenig vertreten. Unter den Beamten stellten die Professoren der neu gegründeten Universität die stärkste Gruppe dar (12). Als Politiker sind unter anderem der Geheime Obersteuerrat Christian Peter Wilhelm Beuth und der Finanzrat Staegemann zu nennen, von den Militärs Carl von Clausewitz, von den Hochschullehrern Friedrich Schleiermacher, Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Karl von Savigny, von den Schriftstellern Arnim und Clemens Brentano, von den anderen Künstlern August Wilhelm Iffland, Johann Friedrich Reichardt und Karl Friedrich Schinkel. Im Vergleich mit anderen zu der Zeit in Berlin existierenenden Vereinen war die deutsche Tischgesellschaft exklusiver und zugleich offener. Eine Besonderheit war auch der hohe Anteil an Künstlern. Anders als in der älteren Literatur vielfach behauptet wird, waren Heinrich von Kleist und Ernst von Pfuel keine Mitglieder der Tischgesellschaft, auch die Mitgliedslisten sind nicht durchweg zuverlässig und besagen nichts über regelmäßige Teilnahme.

Positionen und Tischreden


Antifranzösischer Patriotismus und Antisemitismus waren gemeinsame Grundhaltungen, obwohl nicht allen Mitgliedern dauerhaft eigen. Der Patriotismus dieser Gruppe war dabei von der Auseinandersetzung mit Kaiser Napoleon gekennzeichnet und war in erster Linie preußisch, in zweiter Linie aber auch "deutsch". In den Reden bediente man sich häufig der preußischen Nationalmythen, insbesondere Friedrichs des Großen und der 1810 verstorbenen Königin Luise, deren Leben und Sterben zum Symbol der nationalen Wiedergeburt und der erhofften Befreiung von der napoleonischen Vorherrschaft erhoben wurde.

Die bekanntesten Texte, die in der Tischgesellschaft vorgelesen wurden sind zwei Tischreden, der Form nach satirische Texte, Clemens Brentanos Philister-Rede und Achim von Arnims Über die Kennzeichen des Judentums. Brentano schildert den Typus des Philisters, als dessen Verwandten er die Juden darstellt. Während Brentanos Verwendung antisemitischer Stereotype Ambivalenzen aufweist, die eindeutige ideologische Positionsnahmen unsicher werden lassen, ist Arnims Rede, mit der er die satirische Tour de force Brentanos zu überbieten versucht, ein eindeutig antisemitischer Text.[1] Die Äußerungen, bei denen Arnim sich zahlreicher Gemeinplätze der antisemitischen Literatur bedient, sind zunächst im Rahmen der satirischen Abhandlung zu verstehen, seine judenfeindliche Haltung ist jedoch unzweideutig.

Forschung


Lange Zeit war das Bild der Deutschen Tischgesellschaft geprägt von der tendenziösen Konstruktion von Reinhold Steig, der die Tischgesellschaft als Teil der reaktionären Adelsopposition gegen den Staatskanzler Karl August von Hardenberg darstellte. Ihr Organ seien, so Steig, die Berliner Abendblätter Heinrich von Kleists gewesen. Diesen Behauptungen wurde in der Kleistforschung bereits von Anfang an kritisch begegnet, doch hielt sich Steigs Bild lange Zeit in allgemeienen Darstellungen und Handbüchern. In jüngerer Zeit wurde dieses Bild durch Rückgang auf die Quellen und differenziertere Interpretation vollständig revidiert. Besonders im Hinblick auf die beiden bekanntesten Texte, die Tischreden, wurde die Dynamik der Überbietung untersucht, die die Redner dazu nötigte, jede mit ihrer judenfeindlichen Tendenz auftrumpfende Äußerung durch noch radikalere Äußerungen zu überbieten (Stefan Nienhaus). Obwohl die Mitglieder ihrer sonstigen Haltung nach kaum einem eliminatorischen Antisemitismus zugerechnet werden können, gelangten sie doch in diesem Prozess in ihrer Wortwahl nahe an diesen heran.

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